Anwendung von Critical Chain Project Management (CCPM) im (Multi-) Projektmanagement

Vielen Unternehmen und Organisationen gelingt es erfreulicherweise immer mehr Projekte zu akquirieren. Die Zahl gleichzeitig zu bearbeitenden Projekte sowie die Umsatzprognose steigen. Aber: Die Zahl der zur Verfügung stehenden Mitarbeiter nimmt nicht im gleichen Maße zu, sei es aus Überlegungen zur Einsparung von Kosten oder geringer Verfügbarkeit geeigneter Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig gibt es nur wenige Mitarbeiter, die über spezielles Fachwissen verfügen und so zu unentbehrlichen Experten mit Schlüsselfähigkeiten werden.

Was bedeutet das für die einzelnen Projektleiter? Wollen sie ihr Projekt erfolgreich in Zeit, in Budget und dem geforderten Umfang durchführen, müssen sie die Ressourcen und insbesondere die Experten für ihr Projekt sichern. Das versuchen aber alle Projektleiter, ggf. auch zu Lasten anderer Projekte.

Gehen wir aber davon aus, dass alle Projekte im Portfolio für das Unternehmensziel wichtig und erforderlich sind, dann besteht die Aufgabe des Portfoliomanagements darin, die richtigen Projekte auszuwählen und alle diese Projekte erfolgreich abzuschließen.

Das stellt hohe Anforderungen an das strategische Unternehmensmanagement, insbesondere in Bezug auf klare Unternehmensziele und Prioritäten in der Vorauswahl und in der Umsetzung.

Im Alltag des Multiprojektgeschäfts sind es aber genau diese Prioritäten, die häufig wechseln, spontan entschieden werden oder unklar definiert sind. Das sorgt für Ineffizienzen und verunsichert die Mitarbeiter.

Doch wie können klare Regeln für Prioritäten festgelegt werden? Bedarf es dazu komplizierter Software-Systeme und einer großen Portfolio-Management-Abteilung? Der israelische Physiker Eliyahu Goldratt entwickelte im Rahmen der „Theory of Constraints“ (TOC) hierzu eine Lösung. Durch Anwendung von TOC auf das (Multi-) Projektmanagement entstand das Critical Chain Project Management (CCPM).

 

Die wichtigsten Eckpunkte des Konzepts sind:

  • Vermeidung von (schädlichem) Multitasking um fokussiert Aufgaben so schnell wie möglich bearbeiten zu können
  • Full Kit – Das Projekt und ggf. jede Phase, jedes Arbeitspaket werden so gut wie möglich vorbereitet, um eine zügige Abarbeitung im Sinne von Flow zu ermöglichen
  • Projektpläne werden neu erstellt, möglichst realistisch, d.h. auch die notwendigen Ressourcen berücksichtigend
  • Zeitliche Abstimmung der Projekte um Lastspitzen auszugleichen (Staffelung)
  • Einplanung von expliziten Sicherheiten um auf unplanbare Ereignisse und Unsicherheiten reagieren zu können
  • Strategische Auswahl von Projekten um nur die Projekte zu starten und umzusetzen, die dem Unternehmensziel dienen
  • Eindeutige operative Prioritäten damit immer klar ist, welches Projekt und welches Arbeitspaket den Vorrang hat, und stets die Ressourcen erhält, die es braucht, um erfolgreich realisiert zu werden.

 

Diese Eckpunkte, wenn auch in anderer Reihenfolge, würde womöglich jeder Projektleiter nennen, ohne dabei an CCPM zu denken. Aber warum sind sie nur in wenigen Unternehmen anzutreffen?

Der Grund sind etablierte, gegenläufige, aber unzutreffende Paradigmen:

  • Gute Mitarbeiter sind zu Multitasking fähig und können manche Aufgaben zwischendurch mit erledigen: Für triviale Aufgaben mag das bedingt möglich sein, aber in einer zunehmend von Wissensarbeit geprägten Arbeitswelt sind Rüstzeiten zu beachten, die jeder Mitarbeiter bei jedem Wechsel auf eine neue Aufgabe benötigt. Je mehr dieser Wechsel stattfinden (und das ist das schädliche am Multitasking), umso größer wird die Summe der Rüstzeiten, ganz zu schweigen von den negativen Auswirkungen auf die Konzentration der Mitarbeiter und somit auf die Qualität der Arbeit.
  • Projekte müssen so schnell wie möglich gestartet werden: Die negativen Erfahrungen, dass Projekte ohnehin länger dauern als ursprünglich geplant, bewirken diese Denkweise. Die Idee: Je früher ich anfange, desto wahrscheinlicher ist ein termingerechter Projektabschluss. Wenn dies aber für alle Projekte angewendet wird, steigt die Anzahl gleichzeitig anstehender Aufgaben unnötigerweise und verleitet aufgrund der höheren Arbeitslast wieder zu ineffizientem Multitasking. Besser ist es aus CCPM Sicht das Projekt rechtzeitig (so spät wie möglich) zu starten, dann aber konsequent mit genügend Ressourcen auszustatten um termingerecht beendet zu werden.
  • Sicherheiten nehmen den Druck aus den Projekten und verhindern eine zügige Umsetzung: Häufig werden Sicherheiten daher aus den Projektplänen gestrichen. Nun sind Projekte aber per Definition unsicher, sind geprägt durch hohe Komplexität und Neuartigkeit. Eine 100% zutreffende Planung ist daher nicht möglich. Das wissen natürlich auch die Mitarbeiter, die um zuverlässig liefern zu können, implizite Sicherheiten in ihre Arbeitspakete einplanen. Diese Sicherheiten sind aber nicht steuerbar und auch nicht für die anderen Arbeitspakete nutzbar und somit ineffizient. CCPM sieht hier die Nutzung von expliziten Sicherheiten vor, die für das gesamte Projekt zur Verfügung stehen.
  • Das Management muss flexibel in die Prioritäten eingreifen können: Das Prioritäten schnell verfügbar sein müssen und dynamisch auf die Portfolio-Situation reagieren sollten ist einleuchtend. In der Regel werden aber Prioritätsentscheidungen eben nicht unter Einbeziehung der gesamten Portfolio-Informationen getroffen, sondern folgen häufig der „who screams loudest“-Logik. Aus CCPM Sicht ist die strategische Priorisierung die Entscheidung, welche Projekte in das Portfolio aufgenommen und realisiert werden. Darunter gibt es operative Prioritäten in der Umsetzung, die abgestimmt auf das gesamte Portfolio dafür sorgen sollen, dass alle Projekte erfolgreich abgeschlossen werden. Ein Management-Eingriff ist hierfür nicht nötig – im Gegenteil – er wäre sogar schädlich.

Das Aufbrechen dieser Paradigmen, von den Führungskräften bis hin zu den Mitarbeitern, ist die wahre Herausforderung bei der Umsetzung von CCPM. Unternehmen, denen es gelungen ist, neben den CCPM Planungs- und Steuerungselementen auch die grundlegenden Denkansätze zu etablieren, profitieren von einer hohe Termintreue ihrer Projekte bei gleichzeitig deutlich verkürzter Projektdurchlaufzeit. Ein lohnender Ansatz für die Multiprojektumgebung.

Frank Weghs

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